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Was ist Stress bei der Arbeit?

Von Dr. Ralf Neuner

Die heutige Arbeitsorganisation stellt hohe Anforderungen. Der Arbeitsalltag ist von hohem Tempo bei weiterer Verdichtung der Arbeitsabläufe bestimmt. Gleichzeitig wird von den Beschäftigten Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Erfordernisse erwartet. Die Folgen werden landläufig oft als Stress bezeichnet[1]. Starkes, chronisches Stresserleben ist mit hohen Krankheitsrisiken verbunden (u. a. Verspannungen, Rückenschmerzen oder Herz- Kreislauferkrankungen), die hohe Kosten für den Betroffenen und den Betrieb verursachen. Die Folgen sind steigende Fehlzeiten, höhere Fluktuation, Leistungsabfall und mangelndes Engagement. Chronisches Stresserleben kann zu Konzentrations- und Gedächtnisproblemen führen, die begleitet sind von Erschöpfungszuständen und Neigung zu Ärger und Verstimmung. Damit sind oft erhöhter Konsum von Kaffee, Nikotin und Alkohol, der sich wiederum negativ auf die Gesundheit auswirkt, verbunden. Zu diesem Bild passt, dass der Anteil der psychischen Erkrankungen – einer weiteren möglichen Folge von chronischem Stresserleben – seit Jahren zunimmt. Augenblicklich sind psychische Erkrankungen für etwa 13% der Fehlzeiten verantwortlich (DAK Gesundheitsreport 2012)[2].

Der Hintergrund
Um die Anforderungen und Verpflichtungen bewältigen zu können, unternimmt eine Person eine Anstrengung (eine Investition in Zeit, Mühe, Kreativität). Als Gegenleistung wird dafür ein Ausgleich erwartet. Dieser Ausgleich geschieht in Form des regulären Einkommens, aber auch durch andere Faktoren wie erfahrene Wertschät-zung und Sicherheit des Arbeitsplatzes.

Die Folge
Besteht auf subjektiver Ebene in dieser Hinsicht ein Ungleichgewicht etwa in Form von viel Engagement, das nicht gewürdigt wird oder aber auch eine Bedrohung des Arbeitsplatzes ist die Folge davon eine körperliche Stressreaktion. Die Wissenschaft spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Gratifikationskrise[3]. Ist dies über einen längeren Zeitraum der Fall, kommt es zu den weiter oben beschriebenen Auswirkungen. Dieses Ungleichgewicht kann im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung mit einem Fragebogen erfasst und mit einem Wert ausgedrückt werden.

Was der Betrieb tun kann
Die Transparenz von Strukturen und Prozessen erleichtert es den Mitarbeitern, ihr volles Potential zu entwickeln. Die Grundlage bildet ein gut funktionierendes Kommunikationssystem auf allen Ebenen. Durch die Verankerung des Mottos Gesundheitsfördernd Führen in der Unternehmensstruktur wird das dazu nötige Bewusstsein geschaffen. Es ist oftmals vorteilhaft, wenn dieser Prozess im Rahmen der Organisationsentwicklung durch eine externe, neutrale Beratung begleitet wird.

Was der Einzelne tun kann
Durch die realistische Einschätzung der externen Anforderungen wird das eigene Stresserleben gemindert. Hierbei spielen das Erkennen der eigenen Ressourcen und die Verringerung von unrealistischen Kontrollbestrebungen und Erwartungshaltungen eine zentrale Rolle, genauso wie das Wahrnehmen von Belohnungschancen. Im Rahmen eines Stressbewältigungstrainings können Betroffene lernen, ihre Reaktionsweisen zu hinterfragen und so ihre eigenen Ressourcen stärken.

Autor: Dr. Ralf Neuner – Institut für Gesundheitsmanagement.

Quellenangaben:

[1] Siegrist K & T. Silberhorn (1998): Stressabbau in Organisationen. Münster. Lit.

[2] http://www.dak.de/content/filesopen/Gesundheitsreport_2012.pdf

[3] Siegrist J (1996): Adverse health effects of high effort – low reward conditions at work. Journal of Occupational Health Psychology, 1, 27-43.

Peter R (2002): Berufliche Gratifikationskrisen und Gesundheit. Psychotherapeut, 6, 386-398.